2
Okt
2004

Dan Brown, Sakrileg

The Da Vinci Code, 2003

Robert Langdon, Symbologe aus Harvard, befindet sich aus beruflichen Gründen in Paris, als er einen merkwürdigen Anruf erhält: Der Chefkurator des Louvre wurde mitten in der Nacht vor dem Gemälde der Mona Lisa ermordet aufgefunden. Langdon begibt sich zum Tatort und erkennt schon bald, dass der Tote durch eine Reihe von versteckten Hinweisen auf die Werke Leonardo da Vincis aufmerksam machen wollte ­- Hinweise, die seinen gewaltsamen Tod erklären und auf eine finstere Verschwörung deuten.

Bei seiner Suche nach den Hintergründen der Tat wird Robert Langdon von Sophie Neveu unterstützt, einer Kryptologin der Pariser Polizei und Tochter des ermordeten Kurators. Von ihr erfährt er auch, dass der Kurator der geheimnisumwitterten Sions-Bruderschaft angehörte ­ ebenso wie Leonardo da Vinci, Victor Hugo und Isaac Newton. Bei ihren Recherchen stoßen Robert und Sophie immer wieder auf verborgene Zeichen und Symbole in den Werken Leonardo da Vincis, die zum einen auf den Heiligen Gral hindeuten, zum anderen die These stützen, dass Jesus Christus und Maria Magdalena einen gemeinsamen Sohn hatten. Beides würde die Grundfesten der Kirche erschüttern. Erschwert wird die Suche der Wissenschaftler durch das Eingreifen der mysteriösen Organisation Opus Dei, die Roberts und Sophies Erkenntnisse unter allen Umständen unter Verschluss halten möchte ­und dabei auch nicht vor Mord zurückschreckt.

[Der Wirbel, der um das Buch und um den Autor gemacht wird, ist mir unverständlich, doch Geschichten um Verschwörungen und Geheimgesellschaften verkaufen sich scheinbar gut.

Nun ist die Thematik vielleicht etwas ungewöhnlich, jedoch nicht unbekannt. Die darum gebaute Erzählung ist grundsolide, einfach und konsumentenfreundlich gestrickt: die Kapitel sind der Generation Zapp zuträglich und erstrecken sich höchstens über vier Seiten. Brav ist an jedem Kapitelende ein Cliffhanger eingebaut.

Hauptfigur Robert Langdon, den man schon aus "Illuminati" kennt, ist genauso blass und unscheinbar wie zuvor und auch die anderen Charaktere glänzen durch glatt polierte Oberflächlichkeit. Auch dass der große Symbologe nicht in der Lage ist, eine Botschaft in Spiegelschrift zu entschlüsseln, macht ihn nicht überzeugender.

Ärgerlich sind solche Patzer. Noch ärgerlicher ist, dass ziemlich am Anfang der Geschichte ein Großvater plötzlich mitten im Satz zum Onkel mutiert. Ob man dafür den Autor oder den Übersetzer verantwortlich machen muss, weiß ich nicht, da ich das Original nicht gelesen habe.

"Sakrileg" ist schnelle Lektüre, die man nicht sonderlich ernst nehmen sollte. Gute Unterhaltung wie ein kleines Hollywood-Action-Filmchen, mehr nicht.]
in: Die Bibliothek

Eisbrecher

Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns.

~ Franz Kafka ~
in: Die Bibliothek

24
Sep
2004

Sinnliche Momente

"Bücher sind sinnliche Objekte. Wir spielen mit der Inszenierung des Blätterns. Das Gefühl, ein Buch zu öffnen und durchzublättern, ist vielleicht vergleichbar mit dem Moment, ein Geschenk auszupacken und noch nicht genau zu wissen, was darin ist."

~ Claudia Gehrke, Verlegerin (Konkursbuch-Verlag) ~
in: Die Bibliothek

Henning Mankell, Vor dem Frost

Innan Frostan, 2002

Ein Kalb wird bei lebendigem Leib verbrannt, und sechs brennende Schwäne fliegen über den Marebo-See.

Und erstmals tritt Linda Wallander, die Tochter des altgedienten Kurt Wallander, als (angehende) Polizistin auf. Ihre Freundin Anna verhält sich merkwürdig, eines Tages ist sie verschwunden und es kommt zu immer mehr mysteriösen Vorfällen, die etwas mit Religion zu tun haben scheinen.

Linda beginnt - mit Unterstützung ihres Vaters und nicht immer perfekt - langsam die Zusammenhänge herauszuarbeiten.

[Mankell spannt in seinem Roman den Bogen von dem furchtbaren Massaker in Jonestown, Guyana 1978, wo ein religiöser Fanatiker seinen Anhängern befahl, Selbstmord zu begehen, bis zum 11. September 2001.

"Vor dem Frost" ist die Zeit vor Lindas Antritt bei der Polizei, aber auch die Zeit vor dem Attentat des 11. Septembers. Die Verquickung dieser beiden Themen geht auf Kosten der Rahmenhandlung des Romans: Die Motivation der religiösen Fanatiker bleibt unklar, Linda Wallander als Polizei-Aspirantin wirkt blass und steif - wahrscheinlich hat Mankell das Manko seiner Heldin selbst erkannt und deshalb darauf verzichtet, sie zur weiteren Hauptperson seiner Krimis zu machen.

Trotzdem kein schlechtes Buch. Der Autor ist mehr bekannt für die präzise Schilderung psychischer und sozialer Situationen als für schnelles actionreiches Erzählen und die verschiedenen Spiegelungen der Vater-Tochter-Beziehungen in den einzelnen Plots sind durchaus gelungen und eindringlich.

Nach "Halloween" eine weitere ideale Herbstlektüre.]
in: Die Bibliothek

9
Sep
2004

Stewart O'Nan, Halloween

The Night Country, 2003

Halloween, Tag der lebenden Leichen. Die Geister dreier toter Teenager kehren aus dem Zwischenreich zurück nach Avon, Connecticut. Vor genau einem Jahr sind sie hier gestorben: eine rasende Tour über den Highway, die Smashing Pumpkins laut aus den Boxen, ein Joint, hinter ihnen ein Polizeiwagen mit heulender Sirene. Eine scharfe Kurve. Ein Baum.

Nun sehen sie nach den Freunden, die den Unfall überlebt haben: Kyle, entstellt und debil, und Tim, völlig unverletzt, aber innerlich "längst tot". So etwas merken Geister, und sie merken auch, dass Tim etwas Schreckliches vorhat. Doch sie können es nicht verhindern, gegen den Willen der Lebenden kommen sie nicht an. So nimmt ein neues Verhängnis seinen Lauf.

[Stewart O'Nan spielt mit Versatzstücken des Gruselromans, doch auch wenn hier drei jugendliche Geister gewissermaßen als Erzählerchor auftreten, hat "Halloween" doch eine ganz andere Intention als den Leser mit blankem Horror oder mit dem "Unheimlichen" auf klassische Art zu schockieren.

Er erzählt vielmehr eine Geschichte von zerbrochenen Träumen, von den verzweifelten Versuchen mit der Schuld fertig zu werden - ein amerikanischer Kleinstadt-Alptraum der Ausweglosigkeit. Auch das kann Horror sein, wenn gleich sehr subtil.

"Halloween" berührt unangenehm und stimmt traurig, trotz der oftmals sarkastischen Bemerkungen der Geister. Ein Buch für den Herbst. Lesenswert.]
in: Die Bibliothek

5
Sep
2004

Wladimir Kaminer, Militärmusik

2001

1967 ist ein schicksalsträchtiges Jahr für die Sowjetunion: Die Oktoberrevolution liegt genau fünfzig Jahre zurück, und man rüstet überall im Land zu großen Feierlichkeiten, da erblickt ausgerechnet ein Junge das Licht der Welt, der nichts unversucht lassen wird, um die ruhmreiche Republik in ihren Grundfesten zu erschüttern.

Denn schon von Kindesbeinen an steht der junge Wladimir mit den herrschenden Verhältnissen auf Kriegsfuß; stets ist er zu allem bereit, nur nicht dazu, sich anzupassen. Bereits in der Schule erfindet er als "Offizieller Politinformator" die haarsträubendsten Tagesnachrichten und später bringt er als Praktikant beim Theater ganze Aufführungen zu Fall.

Doch das ist alles nichts gegen sein subversives Wirken beim Militär, bei dem der anarchische Taugenichts eines Tages landet. Hier wird ihm nichtsahnend das Ehrenamt des "Stellvertretenden Vergnügungsorganisators" übertragen, und dass daraufhin alles drunter und drüber geht, braucht niemanden zu verwundern.

Verwunderlich ist allenfalls, dass die Sowjetunion darüber nicht schon viel früher zerbrochen ist ...

[Wenn Kaminer seine Erzählungen beginnt, dann vergisst man darüber die Zeit und legt das Buch erst aus der Hand, wenn es wirklich sein muss.

In "Militärmusik" hat er sieben Episoden aus seiner Jugend und seinem Leben in der ehemaligen Sowjetunion zusammengestellt. Flott erzählte Geschichtchen (die der Klappentext schon recht gut beschreibt) bringen den Leser zum Schmunzeln, zum Lachen, zum Nachdenken - in jedem Fall werfen sie ein ganz neues Licht hinter den Eisernen Vorhang.

Wer Wladimir Kaminer nicht mag, ist selbst schuld. Ostalgie vom Feinsten und ein schnelles Lesevergnügen.]
in: Die Bibliothek

3
Sep
2004

Roberta Allen, Literatur in fünf Minuten

Bei literature.de habe ich vor einiger Zeit das o.g. Buch als Lesetipp gefunden und beschlossen, dass das für mein Regal im Büro eingekauft werden muss.

Selbst fehlt mir meist die Ruhe und Muße in Creative Writing tätig zu werden, aber schlussendlich ist man ja Dozentin und so ein paar Anregungen für die Stundengestaltung können nie schaden. Also wurde das Buch bei Zweitausendeins, wo es auch erschienen ist, bestellt.

Es kam denn auch zwei Tage später an: in einer Verpackung als hätte ich das aktuelle Buch von Muhammed Ali bestellt, dass ja bekanntlich sehr großformatig und schwer sein soll. Nachdem ich mich durch die diversen Schichten des Packmaterials gearbeitet hatte, konnte ich mich schlussendlich auch in einigen Tagen durch den Inhalt des Buchs arbeiten.

Roberta Allen ist selbst Künstlerin und Dozentin für Creative Writing und gibt in ihrem Buch eine praktische Einführung in das Schreiben von sogenannten "Kürzestgeschichten". Nach zahlreichen Beispielen aus der Literatur und aus ihren Kursen, einem Überblick über Erzählperspektiven und diversem "theoretischem Handwerkszeug" geht es dann an die Materie, sprich an die eigene Übung.

Laut Allen ist jeder in der Lage Kürzestprosa zu schaffen. Man nehme einen Wecker, stelle diesen auf fünf Minuten und - ohne lange Nachzudenken - schreibe man zu einem bestimmten Thema einfach drauflos. Die Gedanken fließen und der Stift fliegt von selbst, meint die Autorin. Zahlreiche Anregungen für die praktischen Übungen werden mitgeliefert. Zu einem literarischen Werk wird dieser erste Schritt vermutlich in den seltensten Fällen, dafür gibt es die Phase der Überarbeitung, in der man in aller Ruhe seinem Entwurf Stil, Aufbau und Spannungsbogen zugedeihen lässt.

Selbst habe ich bislang noch keine der über 300 Übungen ausprobiert, meine Kursteilnehmer haben zurzeit Ferien, dennoch ein lohnenswerter Kauf, der mir sicher noch in vielerlei Hinsicht zweckdienlich sein wird.
in: Die Bibliothek

In der Bücherei

[...] Lesen ist ein Abenteuer. Sie fühlt sich hier grenzenlos, umgeben von der Welt in konzentrierter Form. Allein die Bücher in der Hand zu halten genügt schon.

~ Stewart O'Nan, Halloween ~
in: Die Bibliothek
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you you'r it's all...
you you'r it's all over your short note...think
pirmasenser - 13. Mär, 02:05
:-)
Freut mich :) Liebe Grüsse also aus Bottrop anner Emscher Sonja
Ischma (Gast) - 13. Mär, 01:24

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