6
Jan
2005

Ann Patchett, Bel Canto

2001

Ann Patchetts Idee zu ihrem Roman "Bel Canto" beruht auf der einer Geiselnahme in der japanischen Botschaft durch Guerillas in Lima 1996, die erst vier Monate später beendet wurde.

Auch im Roman spielen Japaner eine große Rolle: Herr Hosokawa, japanischer Geschäftsmann und Opernfan, ist zu Gast in einem namenlosen südamerikanischen Land. Eine für ihn arrangierte Geburtstagsfeier soll ihn wohlwollend stimmend, in dem wirtschaftlich schwachen Land eine Filiale seiner Firma zu errichten.

Als Ehrengast eingeladen ist die begnadete amerikanische Operndiva Roxane Coss: der perfekte Rahmen für ein unvergessliches Fest. Plötzlich wird es dunkel, es fallen Schüsse, und alles nimmt ein jähes Ende.

Abgeschnitten von der Außenwelt und in tödlicher Gefahr, durchlebt die exklusive Gästeschar die Schrecken einer Geiselhaft – und zugleich die kostbarsten Momente ihres Lebens durch die Kraft der Musik.

["Eines jener seltenen Bücher, die man sich eigentlich zwischendurch verbieten möchte, damit man sie nicht so schnell verschlingt – und so lange wie möglich im Paradies bleiben darf," schreibt die "Brigitte" und ich kann mich dieser Kritik nur anschließen.

"Bel Canto" ist ein kleiner literarischer Schatz, dem man zumindest jedem Liebhaber der klassischen Musik wärmstens an Herz legen sollte.

Die geschilderten Szenarios sind nicht wirklich realitätsnah, doch das scheint auch nicht die Absicht der Autorin gewesen zu sein. Viel wichtiger ist die Thematik der musikalischen Initiation der Figuren. Patchett hat in der Villa des Vizepräsidenten einen Mikrokosmos geschaffen, in dem Geiseln und Geiselnehmer eine seltsame Symbiose eingehen und Erfahrungen machen, die Leben verändern könnten - alles ausgelöst und verbunden durch die Musik von Roxane Coss.

Beeindruckende Charaktere, eine gut erzählte Geschichte und ein - obwohl man es nicht anders erwartet - berührendes Ende.

Schön!]
in: Die Bibliothek

4
Jan
2005

Elke Heidenreich, Kolonien der Liebe

1992

Neun ironische, zärtliche oder melancholische Geschichten über die Liebe in unserer Zeit.

"Kolonien der Liebe", das sind die zufälligen Orte auf dieser Welt, die, vorübergehend, ein wenig Wärme ausstrahlen, aber es sind auch die Orte, an denen Leid, Hass und Kälte die Liebe totschlagen.

[In meinem Englischkurs stellte ich kürzlich die Aufgabe, ein Buch oder eine Geschichte vorzustellen. Eine meiner Teilnehmerinnen wählte eine Kurzgeschichte von Elke Heidenreich und als ich interessiert nachfragte, brachte sie mir die "Kolonien der Liebe" zur nächsten Kursstunde mit.

Nun ist das Buch ja schon ein paar Tage alt und es hatte mich ehrlich gesagt, nie weiter bekümmert, da ich der Meinung war, die Geschichten wären im Stil von Heidenreichs regelmäßiger Kolumne in einer großen Frauenzeitschrift oder ihrer Figur der "Else Stratmann" - beides nicht so ganz mein Geschmack.

"Kolonien der Liebe" hat mich jedoch positiv überrascht: neun Geschichten, die sich am besten mit "bittersüß" beschreiben lassen. Die "Liebesgeschichten" finden allesamt kein gängiges Happy End, die Figuren sind aus dem Alltag, krisengebeutelt und etwas depressiv - dennoch versteht die Autorin es bestens ihre Storys und Akteure mit einem kleinen Zwinkern zu präsentieren und gerade das macht sie sympathisch.

Meine persönlichen Favoriten sind "Die Liebe", "Erika" und "Das Herz kaum größer als die Leichenfaust".

Sehr lohnenswerte Lektüre für kalte Tage.]
in: Die Bibliothek

2
Jan
2005

David Sedaris, Holidays on Ice

1997

"Holidays on Ice" versammelt fünf böse Geschichten des Autors zum Thema Weihnachten.

Die Weihnachtszeit kann schon nervenaufreibend sein, vor allem als Zwerg im größten Kaufhaus der Welt, bei Macy's. Denn es glaube keiner, daß es nur eine Art von Zwergen gibt: "An einem x-beliebigen Tag kann man Eingangszwerg, Trinkwasserzwerg, Brückenzwerg, Eisenbanhzwerg, Irrgartenzwerg, Ladentischzwerg, Zauberbaumzwerg, Zeigezwerg, Weihnachtsmannzwerg, Fotozwerg, Platzanweiserzwerg, Kassenzwerg, Rennzwerg oder Ausgangszwerg sein."

Für den höflichen Fotozwerg ist es alles andere als leicht, den stolzen Familien verständlich zu machen, dass sie die eben geschossenen Fotos ihrer Kinder erst im Januar erhalten werden. Ein leidender Theaterkritiker berichtet von seinen Erfahrungen mit unsäglichen Schüleraufführungen von Krippenspielen und Weihnachtsmärchen. Eine Ehefrau schreibt einen "Weihnachtsbrief" und erzählt Freunden und Bekannten von einer unerwartet aus Vietnam aufgetauchten Tochter, die die Familie zerstört.

Aus diesem Stoff sind die kleinen und großen Tragödien, die hinter jeder Ecke lauern und von denen David Sedaris berichtet.

[Die großen und kleinen Tragödien von "Holidays on Ice" haben mich zum Großteil enttäuscht, da die Geschichten bis auf die Erlebnisse als "Weihnachtszwerg" eher langweilen und einen pseudo-sozialkritischen Ton anschlagen, der mir misfällt. Kleine Lektüre für Zwischendurch.]
in: Die Bibliothek

20
Dez
2004

Wolfram Fleischhauer, Das Buch, in dem die Welt verschwand

2003

Man schreibt das Jahr 1780. Große Ideen durchziehen das Land. Mystische Zirkel und Geheimbünde blühen allerorten. In der fränkischen Grafschaft Alldorf ist es zu merkwürdigen Todesfällen gekommen, und der junge Arzt Nicolai Röschlaub soll bei der Aufklärung helfen. Ist ein bislang unbekanntes Gift im Umlauf? Bahnt sich eine Verschwörung an?

Je tiefer Nicolai dringt, desto unheimlicher wird der Fall. Plötzlich erhält er den Befehl, seine Nachforschungen einzustellen. Er weigert sich und gerät dadurch selbst in Lebensgefahr. Mit einer jungen Frau, die mehr über die Vorfälle zu wissen scheint, als sie zugeben will, flieht er an die äußerste Grenzen des Reiches - und macht eine Entdeckung, die seine Vorstellungskraft sprengt ...

[Je nun, noch einmal Geheimbünde und munkelnde mauschelnde Dunkelmänner. Zugegebenermaßen lese ich diese Bücher gern und das trotz Dan Brown.

Hier hat mich der Titel angezogen, denn der klingt, als ginge es um Literatur und vielleicht metafiktionale Rätselwelten. Da lag ich mit meinen Vermutungen aber denn doch etwas daneben, geht es hier doch eher um Philosophie und hierbei um das Verschwinden der bis dato bekannten Weltsicht durch Kants Werk "Kritik der reinen Vernunft".

Ich ordne das Buch ins Regal Unterhaltungsliteratur mit einer kleinen Portion intellektuellem Anspruch. Zwar beschäftigt es sich mit hochbrisanten philosophischen Themen, doch Otto Normalleser dürfte davon zu wenig Ahnung haben und für Philosophen ist der Roman schlichtweg zu banal. Nun ärgere ich mich grundsätzlich über Autoren, die ihren Lesern ihr gesamtes Wissen um die Ohren schlagen, aber ein kleiner Exkurs zur Geschichte und Philosophie wäre hier wünschenswert gewesen.

Was bei Fleischhauer anfangs spannend ist, wird mehr und mehr zum Ärgernis, muss man sich doch erst durch 75 Prozent des doch recht umfangreichen Buches lesen, um überhaupt zu ahnen, worum es geht. Auch bleibt unklar, warum Geheimlogen und Dunkelmänner und -frauen ihre - für uns kaum nachvollziehbaren - Werte denn mit brutalstem Mord und Todschlag beschützen müssen.

Es mag zwar durchaus im Sinne des Autors gewesen sein, den Leser ebenso naiv zu halten, wie den Helden, doch der Überraschungseffekt bleibt schlussendlich - obwohl unerwartet - lau.

Ein Buch, in dem man sicher viel entdecken kann, aber nicht muss. Von Wolfram Fleischhauer werde ich mir aber bei Gelegenheit noch etwas zu lesen holen, um mir ein Urteil bilden zu können.]
in: Die Bibliothek

14
Dez
2004

arte sendet Dokumentation zur Geschichte der O

Der Fernsehsender arte zeigt am Freitag, 17. Dezember 2004 von 22:37 - 23:40 Uhr, unter dem Titel "Skandal um Sexautoren" einen Themenabend, bei dem die "Geschichte der O" im Mittelpunkt steht.

Anhand des im Juni 1954 erschienenen erotischen Romans spürt die Sendung dem subversiven Charakter von Kunstwerken nach. Bekanntermaßen erschien das Buch in Paris unter dem Pseudonym Pauline Réage und verursachte einen der größten Skandale der Literaturszene der 50er Jahre. Die Urheberschaft des Buches blieb lange eines der bestgehüteten Geheimnisse der französischen Literatur.

Im Alter von 47 Jahren schrieb Dominique Aury, die eigentlich als Anne Desclos geboren worden war und der französischen Literatur-Intelligentia angehörte (unter anderem Mitarbeiterin im renommierten Verlagshaus Gallimard), unter dem oben genannten Pseudonym ihre Initiationsgeschichte um eine junge Frau, die sich freiwillig sexuell erniedrigen lässt, um zu sich selbst zu finden.

Die junge O wird von ihrem Freund in ein Schloss in dem Pariser Vorort Roissy gebracht und dort in eine Geheimgesellschaft mit einem strengen Regelwerk für Frauen eingeführt: den Männern muss man mit Ehrfurcht und Respekt begegnen, man darf ihnen nicht in die Augen sehen, es gibt einen Kleidungskodex nachdem die anwesenden Frauen in brustfreien korsettierten Kleidern im Stil des 18. Jahrhunderts mit Lederhalsband und -fesseln zur Verfügung stehen müssen. Um sie gehorsam und demütig zu machen, werden die Frauen regelmäßigen Züchtigungen unterworfen. Die O selbst wird durch Folter und Demütigung zum Objekt, aber erfährt dadurch eine innere Reinigung und Selbsterkenntnis.

Aury schrieb die Geschichte als Liebeserklärung für ihren Partner Jean Paulhan, ebenfalls kein Unbekannter in der französischen Literaturszene und Augenzeugenberichten nach eine dominant-beeindruckende Person. Unter anderem wollte sie damit seine Bemerkung, Frauen können keine erotische Literatur schreiben, widerlegen. Eine Veröffentlichung hatte sie eigentlich zu Beginn nicht geplant, erst nach dem Zureden von Paulhan überarbeitete sie ihre Fingerübung und brachte sie in Romanform.

Die Autorin gilt als eine der ersten Frauen, die in einem Buch offen über Sex schreibt und lange Zeit wurde auch aus diesem Grund über die Identität der Autorin gegrübelt. Vielfach wurde behauptet, dass ein Mann oder eine Schriftstellergruppe für die Geschichte der O verantwortlich sei.

Erst vor zehn Jahren erfuhr die Öffentlichkeit nach einem Interview mit der zu diesem Zeitpunkt 86-jährigen Aury die Wahrheit und man war überrascht über die Fantasien der Frau, die als eher prüde und konservativ galt.

Der Film der New Yorker Regisseurin Pola Rapaport untersucht den faszinierenden Fall der Autorin Dominique Aury, will ein neues Licht werfen auf die Person und das Mysterium des Buches und lässt auch Zeitzeugen zu Wort kommen.

Durch die Dokumentation führt der englische Schriftsteller und Journalist John de St. Store. Aury wird von der Schauspielerin Catherine Mouchet dargestellt.
in: Die Bibliothek
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absimilard (Gast) - 28. Mär, 09:39
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you you'r it's all over your short note...think
pirmasenser - 13. Mär, 02:05
:-)
Freut mich :) Liebe Grüsse also aus Bottrop anner Emscher Sonja
Ischma (Gast) - 13. Mär, 01:24

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